Alternative Tätigkeitsfelder für Juristen

Mut zum Wechsel reicht nicht mehr

Sven NitscheLesedauer: 4 Minuten
Immer wieder versuchen sich Juristen in fachfremden Tätigkeitsfeldern. Dies ist keine Abkehr von der Juristerei, sondern ein Weg, erlernte Fähigkeiten vielfältig einzusetzen. Einen Job in einem Wirtschaftsunternehmen außerhalb der Rechtsabteilung zu ergattern, ist jedoch nicht mehr so leicht wie früher.

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"Hast du gehört, in der Marketingabteilung soll eine Führungsposition neu besetzt werden?" So oder ähnlich könnte ein Gespräch beim Business-Lunch ablaufen und somit die eigene Jobsituation ganz nebenbei hinterfragt werden. Manchmal reicht ein kleiner Anstoß, um den Stein ins Rollen zu bringen. Auch der Wechsel von Kollegen oder ein neuer Vorgesetzter können den Wunsch nach beruflicher Veränderung wecken. Auch wenn durch die wirtschaftlich angespannte Lage der Arbeitsmarkt verunsichert ist - bei fast einem Drittel aller Arbeitnehmer besteht eine grundsätzliche Bereitschaft zum Jobwechsel. Einer Umfrage des Online-Karrierenetzwerks CareerBuilder zufolge sieht sich fast ein Fünftel (19 Prozent) aller befragten Arbeitnehmer noch 2010 bei einem neuen Arbeitgeber. Neun Prozent gaben an, spätestens 2011 ihren derzeitigen Arbeitgeber zu verlassen. Trifft man als Jurist die Entscheidung zur Veränderung, gibt es mannigfaltige Möglichkeiten: Nicht selten steht neben einer Kanzlei oder dem Staatsdienst die Rechtsabteilung oder eine fachfremde Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen auf der Wunschliste ganz oben.

Mut zur Lücke reicht nicht mehr: Zusatzqualifikation Pflicht

Ist ein Jurist nach dem Referendariat bei einer Kanzlei "hängengeblieben", folgt bei einem Wechselwunsch in ein Wirtschaftsunternehmen der erste Karriereschritt meistens in der Rechtsabteilung, sagt Christian Hirsch, Partner der Personalberatung Civitas International Management Consultants am Standort München: "Unternehmen stellen heutzutage Juristen vornehmlich in der Rechtsabteilung ein. Um eine Führungsaufgabe übernehmen zu können, muss vor allem die Bereitschaft zu weiterer Qualifikation im betriebswirtschaftlichen Bereich vorhanden sein." Gerade die Entwicklungsmöglichkeiten in zunächst fachfremden Tätigkeitsfeldern reizen viele Juristen. "Ich wollte Projekte aktiv anstoßen und operativ umsetzen, statt nur rechtlich zu begleiten oder den Müll der anderen wegzuräumen", sagt ein Jurist, der in einer großen deutschen Bausparkasse nach mehreren Jahren in der Rechtsabteilung ein neues Aufgabenfeld in der Kommunikationsabteilung gefunden hat. Ein Wechsel auf gleicher Hierarchieebene ist aber längst nicht mehr selbstverständlich. Der Berufsalltag hat sich in den vergangenen Jahren gravierend verändert. Das Anforderungsprofil an Fachkräfte und Akademiker hat sich erweitert, Angestellte müssen sich breiter aufstellen.

Juristenausbildung kein Allheilmittel mehr

In allen Bereichen findet eine zunehmende Spezialisierung statt, die sich meist schon in der Ausbildung niederschlägt. Daher ist der Einstieg in fachfremde Bereiche eines Unternehmens für Juristen durch eine erhöhte Konkurrenzsituation heutzutage schwieriger als früher, sagt Personalberater Hirsch: "Vor 30 Jahren galt die juristische Ausbildung per se als Allheilmittel. In Vorständen von Aktiengesellschaften saßen immer Juristen." Heute seien dort meistens Manager mit einer Doppelqualifikation zu finden. "Juristen haben es daher trotz vermehrter Wechselgedanken in die freie Wirtschaft schwerer, auf der Karriereleiter ganz oben einzusteigen." Dennoch sollten sie sich nicht entmutigen lassen, da sie nach Einschätzung des Headhunters durch ihre Ausbildung eine entscheidende Qualifikation mitbringen: "Juristen haben in ihrer Ausbildung eine sehr stringente Art des Denkens gelernt." Die Möglichkeit, als Jurist ganz neue Wege zu gehen, könnte auch durch einen angestrebten Paradigmenwechsel in der Ausbildung beflügelt werden: Aufgrund der Europäisierung, insbesondere wegen der Umstellung der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master im Zuge des Bologna-Prozesses, sind seit dem Jahr 2000 vielfältige Reformbestrebungen und entsprechende Diskussionen im Gange. Die Hochschulen sind bemüht, eine breitere Ausbildung anzubieten. An den Universitäten Bayreuth und Osnabrück beispielsweise besteht im Rahmen des klassischen Jurastudiums die Möglichkeit, eine Zusatzausbildung in Ökonomie zu durchlaufen. Auch an der Universität zu Köln gibt es den Weiterbildungsstudiengang Wirtschaftsjurist, der mit der Verleihung des akademischen Grades LL.M. oec., Magister des Wirtschaftrechts endet. Zudem gibt es seit einigen Jahren Ausbildungsgänge, die mit dem akademischen Grad Diplom-Wirtschaftsjurist beziehungsweise Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) abschließen.

Den ersten Schritt wagen

Der Weg aus der Rechtswissenschaft in ein Wirtschaftsunternehmen will also früh vorbereitet sein. Ein Berufswechsel ist keine Lappalie: Es muss gelingen, das fundierte Fachwissen als Geschenk zu betrachten, um damit losgelöst von gesellschaftlichen Normen seine eigenen Grenzen in einem völlig anderen Bereich neu auszuloten. Sich neue Anreize zu setzen, ist wichtig für die eigene Persönlichkeitsentwicklung. "Mein neues Betätigungsfeld war in unserem Unternehmen relativ unterentwickelt. Ich wusste, dass man dort noch etwas bewegen kann. Daher hat mich die Aufgabe gereizt", sagt ein Jurist, der in die Marketingabteilung ging. Auf der anderen Seite gilt es, die erlernten Fähigkeiten so zu präsentieren, dass auch ein Jurist in fachfremden Bereichen Anklang findet. Für Personalberater Hirsch ist vor allem die Vorbereitung auf den Jobwechsel wichtig: "Viele Juristen nutzen heutzutage in ihrer Referendarzeit ihre freie Station für die erste Kontaktaufnahme mit Wirtschaftsunternehmen." Fachfremde Tätigkeiten können also auf lange Sicht ein Karrieresprungbrett sein. Sich nur auf die juristische Ausbildung zu verlassen, wäre jedoch fatal. Mit einem sehr guten Abschluss, aber ohne betriebswirtschaftliche Ausbildung sind die Karrierechancen in einer Kanzlei sicherlich größer. Liegt das Augenmerk auf einem Wirtschaftsunternehmen, sollten schon während des Studiums Zusatzqualifikationen erworben und Kontakte geknüpft werden. Mut zum Wechsel gehört dann immer noch dazu, doch es gibt keine Lücke mehr.

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