James Bond mit Jurastudium
Geheimagent, Spion oder doch "nur" Behördenmitarbeiter? Wer beim Bundesnachrichtendienst (BND) arbeitet, wird sicherlich mal eine dieser Jobbezeichnungen erhalten haben. Schließlich ist der BND der einzige Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland.
Michael Berger*, Sachgebietsleiter im Justiziariat beim BND, und Politologe Martin Heinemann, Pressesprecher des BND, sprechen es selbst an. "Wir bezeichnen uns als Nachrichtendienstler." Viele Kollegen empfinden Bezeichnungen wie Spione als negativ konnotiert.
Beim BND arbeiten viele Juristen in ganz unterschiedlichen Bereichen, so auch der amtierende Präsident Bruno Kahl. Welche Aufgaben haben die juristischen "Nachrichtendienstler" und wie wird man zu einem?
Auslandseinsätze mit neuer Identität
Der BND beschafft Informationen, die für die Bundesregierung außen- und sicherheitsrechtliche Relevanz haben. Damit ist die Behörde, anders als das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst, der einzige deutsche Nachrichtendienst, der befugt ist, politische und militärische Aufklärung über andere Staaten zu betreiben. Aufgabe der Behörde ist es grundsätzlich, Deutschland und seine Interessen zu schützen.
Der Nachrichtendienst ist eine besondere Behörde, als Volljurist ist man damit im öffentlichen Dienst tätig und wird in der Regel sofort verbeamtet. Die Themengebiete sind vielfältig. Schwerpunkte bilden etwa Völkerrecht, Europarecht und sonstige Rechtsgebiete mit internationalem Bezug. Doch auch die Arbeit im allgemeinen Zivilrecht oder Datenschutzrecht gehört zu den Rechtsgebieten eines BND-Juristen.
Die Behörde ist dem Kanzleramt unterstellt und fokussiert sich aufs Ausland. Dennoch müssen die Mitarbeitenden nicht zwingend einen Auslandsaufenthalt absolvieren, anders als etwa in der Rotation beim Auswärtigen Amt. Wenn man aber gerne im Ausland arbeiten möchte, kann das in den meisten Fällen verwirklicht werden. Je nach Einsatz bekommt der Nachrichtendienstler dann eine neue Identität, also eine "Legende", die recherchierbar und überprüfbar sein muss.
Dienstleister für Kanzleramt, Bundesregierung und Parlament
Der Aufgabenbereich für Juristen ist vielseitig und unterscheidet sich je nach Arbeitsbereich. Die drei Säulen des nachrichtendienstlichen Kerngeschäfts sind Informationsbeschaffung, Auswertung und Berichterstattung. "Wir sind Dienstleister für das Kanzleramt, die Bundesregierung und das Parlament. Unsere Analysten schreiben Berichte, beantworten Fragen und briefen häufig auch persönlich", so Heinemann.
Zum Kerngeschäft gehört das "Führen von menschlichen Quellen", also die Zusammenarbeit mit Personen, die Zugang zu interessanten Informationen haben. Weitere wichtige Aufgaben sind die Auswertung von Satellitenbildern oder die Analyse von Informationen im Dark Net oder Deep Web, um die Bundesregierung bei politischen Fragestellungen zu unterstützen. Auch die Aufklärung der Lage in Krisengebieten, illegale und irreguläre Migration, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation), Internationaler Drogenhandel, Internationaler Waffenhandel, Internationaler Terrorismus fallen in den Zuständigkeitsbereich des BND.
Als juristischer Vertreter vor dem BVerwG
Juristische "Nachrichtendienstler" beraten BND-Mitarbeitende zudem zu einzelnen rechtlichen Fragen. "Ein Nachrichtendienst muss eine sehr hohe Bandbreite an Rechtsgebieten abdecken, vom klassischen Examenskanon bis zu sehr speziellen nachrichtendienstlichen Fragen", so Berger. Im Rahmen der sogenannten operativen Rechtsberatung prüfen die Juristen im Einzelfall, ob ein bestimmter Einsatz nach dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) und internen Verwaltungsvorschriften juristisch freigegeben werden kann. Manchmal geht es aber auch um einfache Fragen aus dem Mietrecht, wenn die Behörde im Rahmen einer Operation verdeckt als Privatrechtssubjekt auftritt.
Auch die Vertretung der Behörde vor Gericht kann Aufgabe eines Volljuristen beim BND sein. Zuständig für Klagen im Zusammenhang mit Vorgängen des BND ist nach § 50 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Sitz in Leipzig. Damit hat man als juristischer Vertreter immer die Möglichkeit, vor dem BVerwG zu verhandeln.
Der Weg zum BND
Berger ist eher zufällig zum BND gelangt. Er hat im Auswärtigen Amt gearbeitet, doch die Arbeit hat ihn persönlich nicht so sehr begeistert, erzählt er. Er versuchte es in einer Wirtschaftskanzlei, und obwohl er froh war, sein Handwerkszeug einzusetzen, das er über die Jahre erlernt hat, so fehlte ihm etwas. Über die Karriereseite des Bundes fand er Ausschreibungen des Bundeskriminalamts und des BND. Das ist nun einige Jahre her und er kommt immer noch gerne zur Arbeit, sagt er. "Für Juristinnen und Juristen mit Interesse an Sicherheitspolitik und auswärtigen Beziehungen ist der BND ein eigener, sehr spannender Kosmos mit einzigartigen Möglichkeiten."
Das Bewerbungsverfahren ist recht einfach in Gang zu bringen, auch Initiativbewerbungen sind inzwischen möglich. Zwingende Voraussetzung für eine hauptamtliche Tätigkeit beim BND ist die deutsche Staatsbürgerschaft. Bewerber brauchen im ersten und zweiten juristischen Staatsexamen jeweils 6,5 Punkte. Dazu kommt ein Assessment Center mit Vortrag, Interview und Rollenspiel. Und das alles unter psychologischer Begutachtung.
Allgemeine politische Bildung und Verständnis für internationale Zusammenhänge sind wichtig, ausgeprägtes Wissen jedoch nicht. Zuletzt wird auch das Naturell jedes Bewerbers überprüft. Menschen mit großem Mitteilungsbedürfnis werden es schwerer haben, immerhin sei die Arbeit geheim.
"Wir müssen die Zuverlässigkeit der Person prüfen"
Deshalb muss man sich auch einer Überprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz unterzeihen. So sind etwa frühere Auslandsaufenthalte im Einzelfall zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, dass der BND nachvollziehen kann, was bei dem Aufenthalt passiert ist.
"Wir müssen die Zuverlässigkeit der Person prüfen. Dabei geht es um das Leben des Bewerbers und inwieweit seine Aktivitäten recherchierbar und überprüfbar sind. In einigen Ländern kann das nicht sichergestellt werden und so müssen wir eine Person im Zweifel aus Sicherheitsgründen ablehnen", so Berger. Ein Aufenthalt in Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko (SMBS) wie Russland, China oder Iran ist deshalb problematischer als ein Aufenthalt in Italien oder Spanien.
Mangelnde Überprüfbarkeit der Person stelle ein Risiko dar und könne zu großen Schäden führen.
Juristen lernen taktische Wundversorgung
Insgesamt erwartet der BND aber keine "perfekten" Bewerber. Vieles kann und muss man auch vor Ort, also "on the job", erlernen. So kann man auch seine Sprachkenntnisse bei der Behörde verbessern oder erweitern. Beliebt sind die Nato-Sprachen, Bedarf gäbe es insbesondere bei Koreanisch, Arabisch, Chinesisch, Russisch und Farsi, so Berger.
Für Auslandseinsätze, insbesondere in Krisengebieten, werden die BND-Mitarbeiter auch im Fahren mit sondergeschützten Fahrzeigen, aber auch in taktischer Wundversorgung geschult, diese gehe über den klassischen Erste-Hilfe-Kurs hinaus, da man im Einsatz nicht immer die Möglichkeit bekomme, ein Krankenhaus zu besuchen. Rein zur Selbstverteidigung gehöre auch die Ausbildung an der Waffe.
Als Mitarbeiter beim BND könne man auch in verschiedene Abteilungen "reinschnuppern". Damit kann man als Jurist auch Aufgaben übernehmen, die nicht-juristischer Natur sind.
Homeoffice nur in der klassischen Verwaltung
Der Job als "Nachrichtendienstler" ist vielseitig und spannend. Gleichzeitig geht damit auch eine große Verantwortung einher. Insbesondere sind Nachrichtendienstler Berufsgeheimnisträger. Landesverrat nach § 94 StGB ist ein Verbrechen, in besonders schweren Fällen kann auch eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. Vor dem Kammergericht Berlin muss sich derzeit etwa ein ehemaliger hochrangiger BND-Mitarbeiter verantworten, der Staatsgeheimnisse an Russland verraten haben soll.
Für BND-Mitarbeitende gelten zudem besondere sicherheitsrechtliche Einschränkungen. Persönliche elektronische Geräte sind auf dem Gelände tabu, denn sie stellen ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar. Für Notfälle gibt es Rufumleitungen.
Homeoffice ist nur im Bereich der "klassischen" Verwaltung möglich. Nicht dagegen, wenn man hochsensible Themen bearbeitet, derzeit etwa Aufgaben rund um die Ukraine.
"Prahlen" mit Arbeitsergebnissen oder allein nur über seine Arbeit sprechen sei so gut wie nie möglich. Das kann belastend sein, daher achtet der BND darauf, seinen Mitarbeitenden intern möglichst viel Wertschätzung entgegenzubringen. Und auch die psychische Belastung kann groß sein, deshalb gibt es teils verpflichtende psychologische Unterstützung für den Nachrichtendienstler und dessen Angehörige, z.B. in der Vor- und Nachbereitung von Kriseneinsätzen.
Wenn man in einen anderen Bereich wechseln möchte, stellt das aber laut Heinemann auch kein Problem dar: "Die Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten sind schier endlos. Viele, die zunächst die Aufregung im Ausland suchen, kommen irgendwann zurück, weil das Leben dazwischenkommt. Das ist für uns kein Problem, denn das Haus ist groß und es gibt immer eine spannende Aufgabe auch in anderen Arbeitsbereichen."
Vanessa Meilin Rolke ist derzeit Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht Nürnberg-Fürth.
* Pseudonym, der richtige Name ist der Redaktion bekannt.
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2024 M10 27
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