Effizienter lesen

Schnell, Schneller, Speed Reading

Thurid KochLesedauer: 3 Minuten
Die Akten stapeln sich, eine Flut von E-Mails, Newslettern und Schriftsätzen will gelesen werden und die letzten fünf Ausgaben der NJW liegen druckfrisch und unberührt daneben. Diese Datenmengen in kurzer Zeit zu bewältigen verspricht ein Lernansatz, der sich Speed Reading, Schnelllesen oder Turbolesen nennt.

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Besser, schneller, effizienter lesen und dadurch glücklicher, aufmerksamer und kreativer sein, das oder ähnliches versprechen die Anbieter des Speed Readings, des schnelleren Lesens, auch Turbo-Lesen genannt. Etwa 200 Wörter pro Minute schafft der Durchschnittsleser, Schnellleser dagegen sollen bis zu 1500 Wörtern pro Minute bewältigen können. Schon bei einer Stunde Lesen pro Tag könnten bei Verdoppelung der Lesegeschwindigkeit 15 Stunden pro Monat an Zeit eingespart werden, rechnen die Autoren von "Schneller lesen" Holger Backwinkel und Peter Sturtz vor. Erlernen kann man diese Technik mithilfe zahlreicher Bücher und Audio-CDs oder alternativ auch in Seminaren. Ein zweitägiges Standard-Seminar kostet ca. 400 € (z.B. Improved Reading oder Ritter Speed Reading), Business-Seminare, die gezielt Texte wie Vertragsentwürfe, Protokolle oder Berichte zum Thema haben, werden für etwa 800 € angeboten. Im Markt des Schnell-Lesens findet man insgesamt sehr viele Anbieter unterschiedlicher Konzepte auf verschiedenem Niveau. "Wenn man sich entschieden hat, seine Leseleistung zu verbessern, sollte man sich sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und verschiedene Anbieter und Ansätze prüfen" rät ein erfahrener Schnell-Leser. Insbesondere Selbstlern- oder Wochenendkurse sollten mit Bedacht gewählt werden, denn gerade die Schnelllesetechnik erlernt sich letztlich nur durch konsequente Übung.

Wie es funktioniert: Angelerntes ausschalten

Die Ansatzpunkte, die zu einer vielfach erhöhten Lesegeschwindigkeit führen sollen, sind im Detail unterschiedlich, weisen zum Teil aber auch Gemeinsamkeiten auf. "Wichtig ist, zwischen den verschiedenen Arten von Texten zu unterscheiden. Die Lesetechniken sollten den jeweiligen Textsorten also angepasst sein", empfehlen Holger Backwinkel und Peter Sturtz. Man muss sich also bewusst machen, ob das Dokument der Information oder der Unterhaltung dient, wenn man effizient lesen will. Auch solle man das innere Mitsprechen des Textes ausschalten, weil dadurch "die Lesegeschwindigkeit auf Sprechgeschwindigkeit" abgebremst werde, so Wolfgang Schmitz, Gründer von Improved Reading Germany. Zudem soll man den verschiedenen Ratgebern zufolge das im Studium häufig praktizierte Anstreichen von Wörtern im Text zumindest beim ersten Lesedurchgang vermeiden, weil es den Lesefluss durchbreche. Als eine ähnliche Lesebremse gilt auch das visuelle Zurückspringen im Text. Hilfreich ist dagegen, möglichst ganze Sinn- bzw. Wörtergruppen zu erfassen.

"Zusätzlich zum herkömmlichen Lesen sinnvoll"

Aber wie sieht das alles in der Praxis aus? Für ihn habe es sich eindeutig gelohnt, sagt ein Rechtsanwalt aus Düsseldorf, der sich mit der Technik des Schnelllesens nach dem Konzept der Eheleute Michelmann eingehend befasst hat. "Die Technik des Schnelllesens ist eine nützliche Technik, die zusätzlich zum herkömmlichen Lesen sinnvoll ist und Zeit einspart", ist seine Erfahrung. Allerdings sieht er die Technik eher als ein Instrument der Ergänzung an. "Das herkömmliche und langsame Lesen ist nach wie vor unentbehrlich", betont er, erst durch die Kombination beider Techniken sei effizienteres Arbeiten möglich. Das System des Schnelllesens stößt aber an seine Grenzen, wenn man als Anwalt im internationalen Bereich einen hohen Anteil an fremdsprachigen Texten bewältigen muss, gibt der promovierte Jurist zu bedenken.

Wer liest, hat noch lange nicht verstanden

Auch bedeutet schneller lesen noch nicht mehr verstehen, sagen zumindest Kritiker des Konzeptes. Denn schnell zu lesen alleine reicht nicht, wenn Textverständnis und Merkfähigkeit dahinter zurückbleiben. Mitunter wird daher empfohlen, einen Text unter Umständen auch mehrfach schnell zu lesen. Das sei effizienter als den Text einmal langsam zu lesen. Also lieber zweimal schnell als einmal langsam? Es kommt drauf an, wie der Jurist so gerne sagt. Denn beim Feierabendkrimi ist es für die Spannung eher abträglich, nach zehn Minuten schon zu wissen, wer der Mörder ist. Eine genüssliche Langsamkeit ist hier dann doch die bessere Methode, auch wenn der Mörder, man hatte es schon geahnt, am Ende dann doch wieder der Gärtner war.

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