Nicht als Frau, nicht als Juristin, sondern überhaupt eine legendäre Figur Zu den nicht übermäßig zahlreichen Juristinnen, die sich vermutlich ebenso gut auf der Anklagebank wie auf dem Richterthrönchen gemacht hätten, gehört Zhèng Yùxiù (1891-1959 – Tcheng Yu-hsiu). Jedenfalls bekannte Zhèng in vorgerückten Jahren, einer terroristischen Gruppe angehört zu haben, die in den wilden Jahren zwischen dem Ende des chinesischen Kaiserreichs und der ersten Republik den Mord am Politiker Shih-k'ai plante. Zhèng Yùxiù mag 1926 in Paris einen juristischen Doktorgrad erworben haben und kehrte mit ihrem Mann, einem Anwalt, in die unter internationaler Konzessionsverwaltung stehende Stadt Shanghai zurück, wo sie als Richterin an einem Gericht der französischen Teilkolonie gearbeitet haben soll. Dieses System der europäischen Konsulargerichtsbarkeiten in China ist recht interessant, das britische Weltreich unterhielt sogar regionale Appellationsgerichte. Der chinesische Eigensinn in Fragen der Rechtsentwicklung ist ohne diese etwas märchenhafte Episode der europäischen Kolonialrechtsgeschichte schwer zu verstehen. Zhèng Yùxiù wird aufgrund ihrer Tätigkeit, von der sie 1944 autobiografisch berichtete, jedenfalls als die erste Richterin Chinas gehandelt. Zur Zeit ihrer biografischen Selbstdarstellung war sie mit ihrem Mann diplomatisch in den USA ansässig, wo sie 1959 starb. Ihre Geschichte kann Anteile von Märchen enthalten, denn kaum eine Zeit der US-chinesischen Beziehungen ist reicher an Intrigen und Korruption, Winkelzügen und damit verbundenen biografischen Scharaden. Zheng Yuxiu, Bild © wikimedia, public domain