Studentischer Einsatz für Flüchtlinge
Die Flüchtlingskrise löst kontroverse Diskussionen aus. Doch neben Fragen, wie etwa politisch mit dem Flüchtlingszustrom umgegangen werden soll, entstehen zusätzlich konkrete Probleme. Viele ehrenamtliche Helfer sind im Einsatz, um die ankommenden Menschen zu versorgen. Flüchtlinge brauchen allerdings nicht nur Lebensmittel und einen Platz zum Schlafen. Auch eine führende Hand durch den Dschungel des Asylrechts und Einschätzung zur Bleibeperspektive sind gefragt. In einer solch beratenden Tätigkeit können Studenten ihr an der Universität erworbenes Wissen anwenden, was dem Gedanken der sogenannten "Law Clinics" entspricht. Ihr Konzept stammt aus dem anglo-amerikanischen Raum. Es geht dabei ganz allgemein darum, den Studenten mehr Erfahrungen im praktischen Bereich zu ermöglichen und zum anderen um die Möglichkeit, sozial Benachteiligten eine kostenlosen Service zur Verfügung zu stellen. Im Falle der Rechtswissenschaften leisten Jurastudenten also unbezahlte Rechtsberatung, um im Austausch dafür praktische Erfahrungen zu sammeln. Mittlerweile gibt es in Deutschland immer mehr solcher Law Clinics an den Universitäten. Einige davon haben sich das Asylrecht als Schwerpunkt ausgesucht, denn dort gibt es viel Beratungsbedarf und viele finanziell schlecht gestellte Mandaten. So hat Jurastudentin Franziska Faßbinder vor zwei Jahren die Refugee Law Clinic in München (RLCM) gegründet. Sie wollte ihren Kommilitonen die Gelegenheit geben, ihr erlerntes Wissen in der Praxis anzuwenden und dadurch gleichzeitig den Asylsuchenden helfen, die rechtliche Beratung benötigen, sich aber keinen Rechtsanwalt leisten können.
Rechtsberatung ist den Jurastudenten vorbehalten
Wer Fragen zum Asylrecht hat, besucht die Sprechstunde der RLCM und wird dort von den Studenten beraten. Diese arbeiten in Zweier-Teams und können sich bei Rückfragen jederzeit an den Beirat wenden, der aus erfahrenen und im Asylrecht spezialisierten Anwälten besteht, was die Qualität der Beratung gewährleistet. Außerdem sind oft auch Dolmetscher anwesend, einige von ihnen ebenfalls Studenten. Beim RLCM werden also Studenten aller Disziplinen integriert, die Rechtsberatung ist jedoch den Jurastudenten vorbehalten. Diese müssen zunächst auch ein Ausbildungsprogramm durchlaufen, welches sie im Asylrecht schult. Der Fokus auf das nicht immer einfache Rechtsgebiet wird gut angenommen, es zeichnet sich durch seine Aktualität und Dynamik aus. "Es ist spannend, ein Rechtsgebiet kennenzulernen, das sich nah am Puls der Zeit befindet", meint Tassilo Schröck, Vorstandsvorsitzender der RLCM. Ihn motiviert besonders die Zusammenarbeit im Team und das positive Feedback der Ratsuchenden. Ebenfalls aus studentischer Initiative entstanden ist der Pro-Bono-Verein in Heidelberg. Er kümmert sich um Asylbewerber, indem er sie auf ihre Anhörungen vor dem Bundesamt für Migration vorbereitet und Fragen rund ums Asylrecht beantwortet. Der Verein funktioniert ähnlich wie die RLCM, auch hier gibt es einen Beirat, der aus erfahrenen Rechtsanwälten besteht. Die Beratung wird hauptsächlich von Jurastudenten durchgeführt, die zuvor einen Workshop absolviert haben. "Ich war bereits vielfältig ehrenamtlich tätig und hatte immer das Gefühl, dass mein Engagement bloß Mittel zum Zweck ist", sagt Paola Biti, die beim Pro-Bono-Verein mitmacht. Dort hat die Studentin das Gefühl, unmittelbar und mit mehr Einfluss helfen zu können.Als Praktiker sieht die Welt ganz anders aus
Trotzdem fällt es den Studenten nicht immer leicht, sich in der Praxis zu behaupten. Es mache sich bemerkbar, dass im Studium kaum auf verschiedene Situationen im Mandantengespräch vorbereitet würde, meint Paola Biti. Der Unterschied ist deutlich: Im Studium enthalten die Sachverhalte alle nötigen Informationen. Studenten müssen eben nicht herausfinden, wie die Sachlage überhaupt aussieht. So entstünden häufiger Missverständnisse, weil die Geflüchteten oft nicht recht wissen, welche Behörde zuständig ist und welchen Namen sie trägt, so Schröck. In der Praxis "geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen." Auch daran hat man beim Ausbildungsprogramm der RLCM gedacht: Dort werden häufig auftauchende Probleme bereits besprochen, um die Studenten nicht unvorbereitet in ihre neue Situation als Rechtsberater zu entlassen. Auch wenn sie nicht aktiv beraten, können sich Jurastundeten sinnvoll beteiligen. Valentine Zheng hat sich zum Beispiel um den Internetauftritt des Pro-Bono-Vereins gekümmert und den E-Mailverkehr gemanagt. Derzeit befindet sie sich im Auslandssemester, möchte aber nach ihrer Rückkehr gerne selbst Beraterin werden. Ihr gefällt die Arbeit im Verein gut, sie hat die Mitglieder gern und findet es wichtig, auf den Verein und die Flüchtlingsthematik aufmerksam zu machen.Emotionale Seite der ehrenamtlichen Arbeit
So gerne sie auch helfen würden, ab und zu stoßen die Studenten doch an ihre Grenzen. Manchmal kennt der Beirat noch einen Trick, doch in so manchen Fällen gibt es für die Ratsuchenden keine Perspektive in Deutschland. Dann können die Studenten nur noch möglichst einfühlsam die Situation darlegen. Die Mandaten seien in jedem Falle aber sehr erfreut darüber, dass ihnen jemand helfen wolle und man sich für sie interessiere, so Annika Bergelt, die sich neben ihrer Arbeit beim Pro-Bono-Verein auch in der Amnesty-International-Hochschulgruppe engagiert. Der Kontakt mit und das Auftreten vor Behörden, die praktische Rechtsanwendung, die Kommunikation mit den Mandaten - all diese Dinge kommen im rechtswissenschaftlichen Studium häufig zu kurz. Durch ihr ehrenamtliches Engagement können sich die Studenten besser auf die Praxis vorbereitet fühlen und haben dadurch auch noch einigen Menschen geholfen. Eine sinnvolle Art und Weise, seine freie Zeit zu nutzen. Die Autorin Clara Schneiderhan studiert Jura im 9. Semester an der Universität Tübingen.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2015 M12 4
Beratungshilfe
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