Master im chinesischen Recht

Das Recht im Reich der Mitte

von Anna K. BernzenLesedauer: 5 Minuten
Als Exportweltmeister braucht China eine Menge guter Juristen, auch aus Deutschland. Doch die sprachlichen, rechtlichen und kulturellen Barrieren sind groß. Wer sie überwinden will, dem stehen eine Reihe spezieller Studienangebote zur Verfügung – und winken interessante Karrierewege.

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Universitätsstudium, Staatsexamen, Referendariat, Staatsexamen: Bevor Christoph Schröder sich als Volljurist offiziell einmal durch das deutsche Recht gearbeitet hatte, waren das eine oder andere Jahr und unzählige Klausuren, Hausarbeiten und mündliche Prüfungen ins Land gegangen. Blickt er dagegen auf seine Ausbildung im chinesischen Recht zurück, sieht das anders aus: ähnlich zeitintensiv, aber weniger systematisch. Schon zu Schulzeiten hatte China den Norddeutschen fasziniert. Sprachunterricht und Schüleraustausch führten zum Studium der Rechtswissenschaft mit Nebenfach Sinologie und mündeten schließlich in einen Studienaufenthalt an der Universität Nanjing. Mit einem Aufsatz zum chinesischen Konkursrecht legte er in der Acht-Millionen-Einwohner-Stadt den Grundstein für seine China-Karriere. "Ich habe mich hingesetzt und mir gesagt: Den Text übersetzt du diese Woche einmal runter", erinnert er sich. Als die fertige Übersetzung auf dem Tisch lag, hatte er einen soliden Grundwortschatz im chinesischen Zivilrecht und Lust auf mehr.

Sprache und Paragraphen auf eigene Faust lernen

Viel mehr: Mit einem deutschen Kommilitonen beschloss er, das chinesische Vertragsgesetz zu übersetzen: über 400 Paragraphen in einer Sprache mit knapp 90.000 verschiedenen Zeichen. Zwei Monate arbeiteten sie daran. Mit nun noch deutlich größerem Wortschatz traute Schröder sich in eine reguläre Vorlesung zum Außenwirtschaftsrecht. Und auch dort konnte er der Professorin folgen. Es verwundert also nicht, dass es ihn nach sechs Jahren als Rechtsanwalt in Deutschland vor kurzem erneut in das Reich der Mitte zog. Seit 2012 arbeitet Christoph Schröder für CMS Hasche Sigle in Schanghai. Die Vokabel-Karteikarten von damals – insgesamt ein Regalmeter – hat er immer noch. Es sind Menschen wie Christoph Schröder, die der Göttinger Juraprofessor Peter-Tobias Stoll im Kopf hatte, als er den LL.M.-Studiengang "Chinesisches Recht und Rechtsvergleichung" entwickelte. Denn Juristen, die sich für China und sein Rechtssystem interessieren, waren lange Zeit auf Auslandsaufenthalte und das Selbststudium verwiesen. Erste Einblicke in das chinesische  Recht boten ihnen Sommerschulen, in Deutschland etwa in Göttingen. Dieses Angebot zog 2013 rund 70 Studenten an. "In dem Rahmen haben wir festgestellt: Immer mehr junge Juristen interessieren sich für chinesisches Recht. Da ergibt es nur Sinn, die Ausbildung systematisch aufzubauen", so Stoll.

"Ein Vorteil auf dem Arbeitsmarkt"

In dem zweijährigen Masterstudiengang sollen Juristen und Sinologen gemeinsam Kenntnisse im chinesischen Recht erwerben. Es gibt Vorlesungen im öffentlichen und im Zivilrecht, aber auch zu Rechtsgeschichte und -philosophie. Veranstaltungen zur Geschichte, Politik und Wirtschaft Chinas, Sprachkurse und ein einjähriger Auslandsaufenthalt an der Universität Nanjing ergänzen das Fachstudium. Je nach Schwerpunkt erwerben die Absolventen damit einen LL.M. oder einen M.A. Zusätzlich prangt auf der Visitenkarte ein LL.M.-Titel der chinesischen Universität. Wer eher im Konzern als in der (Groß)Kanzlei landen möchte, könnte im LL.M.-Studiengang "Internationales Wirtschafts- und Unternehmensrecht" der SRH Heidelberg gut aufgehoben sein. Das chinesische Recht ist dort fester Teil des Curriculums für internationales Recht. Dessen Fokus liegt auf der praktischen Anwendung der Rechtskenntnisse in Unternehmen. Darauf sind auch die Veranstaltungen ausgerichtet: Im Pflichtfach "Chinesisches Recht" werden gezielt wirtschaftlich relevante Inhalte vermittelt, so etwa zum Recht des Geistigen Eigentums. Auch kulturelle Aspekte werden in eigenen Kursen und bei Studienexkursionen nach China vertieft. So lernen die Studenten beispielsweise, wie man richtig mit chinesischen Geschäftspartnern verhandelt. "Kenntnisse im angloamerikanischen Recht sind heute Standard. Zu wissen, wie das Recht in aufstrebenden Volkswirtschaften wie China funktioniert, bietet den Absolventen einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt", so Carolin Sutter, Dekanin der Fakultät für Rechts- und Sozialwissenschaften. Etwa ein Drittel der Studenten vertieft dieses Wissen im chinesischen Recht später im dazugehörigen Wahlfach.

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2/2: Anwalt, Hausjurist, Unternehmensberater?

Doch was tun mit einem Master, der Kenntnisse im chinesischen Recht attestiert? "Man kann Hausjurist in einem in China tätigen Unternehmen werden oder den sogenannten China-Desk einer internationalen Kanzlei verstärken. Die suchen teils händeringend nach juristisch gut qualifizierten Chinaexperten", schlägt Benjamin Pißler vor. Der Privatdozent ist im Vorstand der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung und kennt die Arbeitsmarktsituation vor Ort. In der chinesischen Rechtsberatung, sagt er, seien Ausländer dagegen nur selten zu finden. Einerseits reichen oft die Sprachkenntnisse nicht. Andererseits sind die beruflichen Perspektiven für viele unattraktiv – etwa weil die Jahresgehälter im Schnitt im niedrigen fünfstelligen Bereich liegen. Sinnvoll kann es daher sein, das Masterstudium als Teil einer umfassenden Ausbildung zu betrachten. Der Göttinger Master etwa kann für seine Absolventen Grundlage für eine Promotion auf dem Gebiet des chinesischen Rechts bilden. "Er könnte aber auch ein erster Schritt in Richtung einer weiteren juristischen Ausbildung in der Volksrepublik China sein", so Peter-Tobias Stoll. Eine Anwaltszulassung in China zu erhalten, ist aufgrund der restriktiven Gesetzgebung jedoch immer noch praktisch unmöglich.

"Das meiste lerne ich von den chinesischen Kollegen"

Der Master kann indes auch genutzt werden, um früh Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern zu knüpfen. "Durch sein Auslandspraktikum konnte sich ein Absolvent einen Arbeitsplatz bei einem großen, deutschen Autohersteller in China sichern", berichtet Carolin Sutter. Und wenn es letztlich doch nicht nach China gehen soll, bieten auch dessen Nachbarländer berufliche Perspektiven: "Die Absolventen kennen sich aus in der dynamischen ostasiatischen Wachstumsregion. Und wer sich einmal in das chinesische Recht eingearbeitet hat, kommt auch mit den übrigen Rechtssystemen zurecht", meint Stoll. Doch selbst die beste Ausbildung kann immer nur ein erster Schritt sein, so Benjamin Pißler: "Man kann sich in gewissem Maße auf die Arbeit in China vorbereiten, aber letztlich muss man sich einfach vor Ort auf das Land einlassen." Das erlebt auch Christoph Schröder jeden Tag. Dank seiner Chinesisch-Kenntnisse kann er die Vertragsentwürfe der gegnerischen Anwälte im Original lesen. Dank des autodidaktischen Studiums des chinesischen Rechts weiß er, dass man auch in China einen Eigentumsvorbehalt vereinbaren kann. Doch der größte Teil seines Jurawissens stammt aus einer anderen Quelle: "Das meiste lerne ich schlicht dadurch, dass ich Tag für Tag mit meinen chinesischen Kollegen zusammenarbeite."

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