Bundestag beschließt Reform des Klimaschutzgesetzes: "Mit Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit nichts zu tun"

von Dr. Franziska Kring

26.04.2024

Der Bundestag hat am Freitag die umstrittene Änderung des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Die strengen Sektorziele fallen weg, stattdessen soll es nur noch auf die Gesamtmenge der Emissionen ankommen. Kritiker halten das für rechtswidrig.

Am Vorabend war der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann mit seinem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Er bemängelte die zu kurze Beratungszeit und wollte die Reform des Klimaschutzgesetzes (KSG) aufhalten. Auch verschiedene Umweltverbände, Klimaaktivisten und Juristen hatten an die Abgeordneten appelliert, gegen die Reform zu stimmen. Sie sehen in dem Gesetz eine Aufweichung des Klimaschutzes.  

Durchsetzen konnten sie sich nicht. Am Freitag hat der Bundestag die umstrittene Reform beschlossen. Sie sieht grundlegende Änderungen vor. Bisher mussten die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen, wenn einzelne Sektoren ihre Klimaziele verfehlten. 

In den Jahren 2021 und 2022 hatten sowohl der Verkehrs- als auch der Gebäudesektor die Vorgaben nicht eingehalten. Das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen von Klara Geywitz (SPD) hatten zwar entsprechende Sofortprogramme vorgelegt, diese wurden aber nie beschlossen. Stattdessen hatte sich die Bundesregierung im Oktober auf ein "Klimaschutzprogramm" geeinigt. Das reicht aber nicht aus, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Ende 2023, und verurteilte die Bundesregierung dazu, Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude zu beschließen. Derzeit läuft das Revisionsverfahren. 

Sofortprogramme nicht mehr verpflichtend 

Das nun beschlossene KSG sieht gerade keine Verpflichtung zu solchen Sofortprogrammen mehr vor. Künftig soll die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Entscheidend soll sein, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Erst wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern. Das bedeutet also, dass solche Maßnahmen erst durch die nächste Bundesregierung zu erlassen wären. Bei der Bundestagsdebatte am Freitag kam scharfe Kritik von der Opposition – und auch verschiedene Umweltjurist:innen halten das Gesetz für unvereinbar mit den Vorgaben aus dem Klima-Beschluss des BVerfG. 

Der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung sprach von einer "Entkernung des Klimaschutzgesetzes" und einem Rückschritt für den Klimaschutz. Die Ampel stelle sich einen Freibrief aus. Die Linken-Abgeordnete Janine Wissler nannte die Reform eine "Lex Wissing", die Änderungen seien eine "Lizenz zum Nichtstun".  

"Gesetz verschiebt Probleme in die Zukunft" 

Bei einer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, Germanwatch, dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) und Fridays for Future organisierten Pressekonferenz am Donnerstag äußerten auch verschiedene Umweltjurist:innen deutliche Kritik an dem neuen Gesetz. Prof. Dr. Remo Klinger sprach von "struktureller Prokrastination". Wenn die Prognose ergebe, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele verfehlen wird, müsse sie erst ab 2030 Maßnahmen ergreifen. "Die Jahre von 2030 bis 2040 seien laut Umweltbundesamt die "härteste Phase für den Klimaschutz überhaupt", so Klinger. Deshalb sei dieses Aufschieben mit dem wegweisenden Klimabeschluss des BVerfG aus dem Jahr 2021 nicht vereinbar. Dort hatte das BVerfG den Begriff der "intertemporalen Freiheitssicherung" geprägt. Klimaschutz darf nicht so ausgestaltet sein, dass er künftige Generationen unzumutbar in ihren Freiheitsrechten einschränkt.  

Das bestätigte auch Dr. Franziska Heß. Das BVerfG habe insbesondere klargestellt, dass Klimaschutzmaßnahmen rechtzeitig erfolgen müssen und vor allem planbar und voraussehbar ausgestaltet werden müssten – einerseits für die betroffenen Sektoren wie Industrie und Energie, andererseits aber auch für die Bürgerinnen und Bürger. Maßnahmen für den Zeitraum ab 2031 sollen erst ab 2029 geplant werden können, so Heß. Das Gesetz "verschiebt Probleme in die Zukunft und hat mit der vom BVerfG betonten Generationengerechtigkeit nichts mehr zu tun", sagt Heß. 

Dr. Roda Verheyen kritisierte insbesondere, dass der Regierungsentwurf vom 19. April kein Wort über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu den Klimaseniorinnen verliert, das erst zehn Tage zuvor ergangen war. Klimaschutz ist ein Menschenrecht, das hat der EGMR klargestellt. Demnach müssen Staaten – auch Deutschland – ein Gesamtkonzept zum Klimaschutz entwickeln, so Verheyen, und einen quantifizierbaren Reduktionspfad mit Zwischenzielen vorgeben und auch dafür sorgen, dass er eingehalten wird. Das sei hier nicht gewährleistet.  

"Kein Gramm CO2 darf in Zukunft mehr emittiert werden" 

Laut Gesetz muss Deutschland bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die Treibhausgase um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. Dann dürften also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auch wieder gebunden werden können. 

Diese Emissionsziele blieben natürlich unverändert, verteidigten die Ampelfraktionen die Reform. "Kein Gramm CO2 darf in Zukunft mehr emittiert werden", so die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Dröge räumte aber ein, die Grünen hätten sich eine noch klarere Verantwortung der einzelnen Sektoren gewünscht. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sagte, dem Klima sei es vollkommen egal, ob CO2-Emissionen im Energie-, Industrie- oder Verkehrssektor eingespart werden. 

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte mit drastischen Maßnahmen bis hin zu Fahrverboten am Wochenende gedroht, sollte der Bundestag die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht bis Sommer beschließen - dann hätte er nämlich ein Sofortprogramm vorlegen müssen. 

Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Umweltverbände wie die DUH appellieren jetzt an diesen – und behalten sich rechtliche Schritte vor. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das alte KSG hatten die jungen Beschwerdeführenden – mit Unterstützung von der DUH, Greenpeace und Germanwatch – schon einmal Erfolg. Vielleicht wird auch das neue KSG einmal die Gerichte beschäftigen. 

Mit Material der dpa 

Zitiervorschlag

Bundestag beschließt Reform des Klimaschutzgesetzes: "Mit Generationengerechtigkeit nichts zu tun" . In: Legal Tribune Online, 26.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54438/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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