Superman vs. Klickibunti
Ein erstes Beispiel liefert der Fachanwalt für Steuerrecht Kai Schröder aus Hannover. Im giftgrünen Header bittet "der kleine Kai" um Anrufe – allerdings nicht vor 9:00 Uhr MEZ. Auf der Seite "über mich" kündigt er an, ab 2008 unerreichbar am Südseestrand zu liegen und rät den Besuchern der Seite, ihre Probleme selbst anzugehen und dabei nicht zu verzweifeln. Bei den Verlinkungen finden sich neben Seiten mit juristischem Bezug auch solche, die Ekelbilder präsentieren. Unweigerlich fragt man sich, ob das ernst gemeint sein kann. "Ich würde die Seite anders aufbauen, wenn sie ernst gemeint wäre", versichert Herr Schröder per E-Mail. Wie er seinerzeit auf die Idee gekommen sei, sie zu bauen, wisse er nicht mehr. Es sei eine Spielerei gewesen, die er seit Jahren nicht mehr angefasst habe. "Es reicht, dass die Kommunikationsdaten abrufbar sind." Wir fragen Kai Schröder, ob er keine Angst habe, auf diese Weise potentielle Mandanten zu verlieren. Daraufhin verrät er uns, dass er fast nie für Leute arbeite, die er nicht kenne oder von denen er nicht wisse, wie sie zu ihm kommen. "Auf eine Internetpräsenz als Werbeplattform bin ich nie angewiesen gewesen."
Superman in Anwaltsrobe
Anders ist es offenbar bei dem auf Immobilienrecht spezialisierten Rechtsanwalt Thomas Deist aus Celle, der immerhin eine Agentur mit der Seitengestaltung beauftragt hat. Herr Deist geriert sich auf seiner Internetseite als Superman mit schwarzer Robe, der in finsterer Nacht "schemenhafte Kreaturen" jagt. Damit meint er unter anderem zahlungssäumige Mieter, stümperhafte Bauunternehmer oder Vermieter, die ihr Objekt verkommen lassen. An Dramaturgie ist die Homepage jedenfalls kaum zu überbieten: "Schweißperlen stehen auf Ihrer Stirn. Sie schauen hoch zum wolkenverhangenen Himmel, unser Logo erscheint. Sie wissen, Ihnen wird geholfen!" Wir möchten wissen, was hinter diesem Internetauftritt steckt und fragen bei der Agentur Nijo nach, die für die Gestaltung der Homepage von Herrn Deist verantwortlich zeichnet. Geschäftsführer Joel Lück erzählt uns, dass die Idee bei einem Brainstorming zwischen der Agentur, Herrn Deist und dessen Berater entstanden sei: "Wir wollten zeigen, dass Herr Deist nicht irgendein angestaubter alter Jurist ist, sondern der womöglich dynamischste und energiegeladenste Anwalt Celles." Und dafür wurden keine Mühen gescheut: "Für das Shooting wurden ein professioneller Fotograf und eine Visagistin engagiert. Hinzu kam die nachträgliche Bildbearbeitung." Aber wie ist die Resonanz? Herr Lück weiß zu berichten, dass die Meinungen der Website-Besucher von "genial" bis "geht gar nicht" reichen. Darüber sei man sich aber vorher im Klaren gewesen. "Wir wussten, dass wir damit provozieren. Letztendlich passt dieser Internetauftritt aber zur Persönlichkeit von Herrn Deist. Er ist ein sehr aktiver Mensch, der auch das Rampenlicht nicht scheut."Selbstgedrehte YouTube-Videos
Eher ungewöhnlich ist auch der Internetauftritt der Rechtsanwälte Kotz aus Kreuztal, der jedenfalls in Juristenkreisen sehr bekannt ist. Das Attribut "Old School" beschreibt das Layout der Seite treffend. Statt eines Besucherzählers gibt es eine animierte Bilddatei mit einem durchdrehenden Zählsystem. Und auch ansonsten fühlt sich der Besucher in längst vergangene Zeiten des Internets zurückversetzt. Bekannter als für das schräg anmutende Design dürften die Kreuztaler indes für ihre selbstgedrehten YouTube-Videos sein. Untermalt von instrumentaler Musik, die ein wenig an das Theme der Benny Hill Show erinnert, wird der Gang in die Kanzleiräume aus der Ich-Perspektive im Zeitraffer gezeigt. Danach sieht der Betrachter Rechtsanwalt Kotz senior oder junior meist vor einem Bücherregal sitzend, wie er kurz nüchtern über ein alltägliches Rechtsproblem berichtet. Gerne hätten wir mehr über die Seite erfahren, doch leider stand die Kanzlei Kotz der LTO nicht für Rückfragen zur Verfügung.Ungewöhnlicher Internetauftritt kann sinnvoll sein
Was halten Experten von solch auffälligen Webauftritten? Wir fragen die Rechtsanwältin und PR-Beraterin Dr. Susanne Reinemann aus München, die das Ganze differenziert betrachtet: "Ein sehr ungewöhnlicher Internetauftritt spricht jedenfalls andere Mandanten an, als eine klassisch-seriöse Anwaltshomepage. Das kann im Sinne der Kanzleistrategie durchaus gewollt und damit auch sinnvoll sein." Die Veröffentlichung von Videos sei allerdings immer eine heikle Sache. "Auf der einen Seite sind gerade bewegte Bilder gut geeignet, die Aussage einer Homepage zu unterstützen. Auf der anderen Seite bergen Videos - im Vergleich zu Texten oder Bildern - eine größere Gefahr, dass der Schuss nach hinten losgeht." Was die Videos der Kanzlei Kotz im Besonderen angeht, findet sie aber durchaus angemessen: "Die Gestaltung der Videos passt zur Seite - hochprofessionell-stylishe Videos würden diejenigen, die sich von der übrigen Seite angesprochen fühlen, wohl eher abschrecken." Wir halten fest: Auch aus professioneller Sicht ist die Gestaltungsfreiheit durchaus größer, als die eher monotone Anwaltshomepage-Landschaft es vermuten lässt. Und was spricht eigentlich dagegen, wenn der eigene Webauftritt nicht nur informativ, sondern auch humorvoll ist? Der eingangs erwähnte Rechtsanwalt Kai Schröder ist sich jedenfalls sicher: "Man darf das Leben nicht völlig ernst nehmen. Sonst verzweifelt man. Das gilt auch im konservativen Berufsumfeld und mehr noch als anderswo, für die Juristerei." Recht hat er. Wir danken unseren Facebook-Fans, die bei der Suche nach ungewöhnlichen Anwaltshomepages mitgewirkt haben. Und ob kreativ oder doch eher klassisch: Wer als Anwalt über eine neue Homepage nachdenkt, dem steht zum Beispiel das KanzleiHomepage-Kooperationsangebot von anwalt24.de, wie auch LTO zu Wolters Kluwer gehörend, und CM4allBusiness zur Verfügung.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2012 M10 16
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