Was der Schreibtisch über uns verrät

Aufräumen. Jetzt. Ein bis­schen.

von Barbara StrombergLesedauer: 4 Minuten
Heute schon den Kuli parallel zur Schreibtischkante gelegt? Derartiges Verhalten sagt ebenso viel über den Menschen aus wie ein großes Chaos auf dem Schreibtisch. Doch wie wenig effektiv will man wirken?

"Dass du hier überhaupt etwas findest!" bis zu "Hier sieht es immer aus, als hättest du nichts zu tun!" – extreme Situationen auf dem Schreibtisch laden Kollegen zu Kommentaren ein. Im besten Falle in direkter Ansprache, im schlimmsten Falle wird man Gegenstand des Gesprächs in der Kaffeeküche, ohne dabei zu sein. Faktisch bleibt es nicht bei den Bemerkungen. Ob bewusst oder unbewusst, Kollegen und Vorgesetzte machen sich eine Vorstellung von dem Charakter der Person hinter dem Schreibtisch. Das ist nicht überraschend – denn natürlich ist es skurril, wenn jemand Bleistifte nach dem Härtegrad ordnet und nervös wird, wenn jemand ein Dokument um Zentimeter verrückt. Für die meisten ist es ebenso irritierend, wenn sich die Papiere so stapeln, dass wichtige Akten bei Beginn der Wiedervorlagefrist erst mühsam aus einem Stapel mit alten Zeitungen hervorgeholt werden müssen.

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Schlecht organisiert – aber immerhin flexibel

"Der Schreibtisch verrät zweifellos viel über einen Menschen", sagt Jürgen Kurz. "Denn die Art, seine Arbeit zu erledigen, strahlt auch auf alle anderen Bereiche des Lebens aus." Der Betriebswirt befasst sich mit Lösungen für einen strukturierten Arbeitsplatz. Er hat beobachtet: "Wer einen klinisch-reinen Schreibtisch pflegt, wirkt auf seine Kollegen verschroben und unnahbar. Schreibtisch-Chaoten gelten als schlecht organisiert, aber flexibel und vielseitig interessiert." Der volle Schreibtisch stehe nicht nur für viel Arbeit, sondern eben auch für schlechte Organisation. Dass manch ein Schreibtisch voll ist mit Zetteln, ungelesenen Newslettern, unbeantworteten Einladungen und Werbebroschüren, kann vielerlei Gründe habe - psychologische, biografische oder habituelle. Eine wesentliche Rolle spielt das aber nicht. Für Kurz gibt es die Menschen mit vollen Tischen, bei denen mehr auf dem Tisch liegt als aktuell gebraucht wird. Die zweite Gruppe duldet in Griffweite nur, was für die momentane Aufgabe gebraucht wird.

Menschen mit leeren Schreibtischen sind effektiver

"Menschen mit aufgeräumten Schreibtischen sind nachgewiesen effektiver, denn es fällt leichter, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren, wenn es keine Mühe kostet, andere Sachen auszublenden", erläutert Kurz. Ein aufgeräumter Schreibtisch sei daher die Basis für mehr Effizienz im Unternehmen – und damit tatsächlich auch für die Zufriedenheit der Mitarbeiter. "Etwa 96 Prozent der Hirnkapazität sind ständig mit unterbewusst ablaufenden Vorgängen ausgelastet", sagt Marit Zenk, Dozentin im Institut Neue Wirtschaft – Bildungswerk Nord (INW). Wer die verbleibenden vier Prozent mit zusätzlichen Eindrücken und Ablenkungen störe, mache es sich unnötig schwer. Entlastung sorge daher für mehr Leistung.

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2/2: Vorbild Besteckschublade

Ein System zu haben, das Ordnung ermöglicht und Suchen auf eine möglichst geringe Zeitspanne verkürzt -  das ist für jeden Menschen möglich. "Es geht dabei gar nicht um Gleichmacherei oder um das Unterdrücken bestimmter Persönlichkeitszüge, sondern um ganz praktische Vorteile", sagt Kurz. Sein Lieblingsbeispiel: "Jeder hat Zuhause eingesehen, dass das Einsortieren des Bestecks in die Besteckschublade eine gute Sache ist - ohne, dass dafür ein Audit nötig gewesen wäre." Es ist ratsam, sich auf ein System einzulassen, um den Überblick zu behalten. Natürlich sollte es zum kanzleiinternen System aus Farbcodes, Markierungen und Aktenläufen passen. Dreh- und Angelpunkt ist die gut funktionierende Wiedervorlage. Bewährt haben sich Mappen mit der Sortierung 1 bis 31 und Januar bis Dezember. Hier finden termingebundene Informationen ihren Platz: Unterlagen oder Notizen für Termine an diesem Tag, Erinnerungen an Aufgaben, Ideenzettel oder Recherche-Ergebnisse für Meetings. Rücksprache-/Jour-Fix-Mappen, in denen man alles sammelt, was man mit den Kollegen besprechen möchte, Projektmappen für die Sammlung von Unterlagen zu bestimmten Projekten sowie Reisemappen unterteilt von Januar bis Dezember. Für schnelle Notizen gibt es einen Spiralblock für die Verwaltung von To-do-Listen und Tagesnotizen. Für diejenigen, die gerne digital arbeiten, gibt es Programme zur Notizverwaltung, die auch Fotos, Dateien und Lesezeichen aufnehmen. Zudem sollte online wie auf dem Schreibtisch ein Fünf-Fächersystem mit Eingang, Ausgang, zu erledigen, einem Schwebefach für Vorgänge, die Reaktion von anderen erfordern, und dem Ablagefach stehen. Auch im Maileingang und auf dem virtuellen Desktop lohnt es sich, eine Ordnerstruktur zu schaffen, die diese fünf Aktionen abdeckt. Hinter dem Mailordner "Ablage" etwa verbirgt sich dann das mit sinnvoll benannten Unterordnern bestückte Archiv für bereits erledigte Mails.

Check: Ablage schnell erklärt

Woran man merkt, dass das System gut ist? Den Benchmark gibt Kurz vor: "Idealerweise braucht es bei einem guten Schreibtischablagesystem eine Minute, um es anderen zu erklären." So ein System spart Zeit, bringt Ordnung und Effizienz - und verhindert, dass man in der Liste der schrägen Schreibtischtypen an unerwünschter Stelle eingeordnet wird. Die Autorin Barbara Stromberg ist freie Journalisten aus Düsseldorf.

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