Degustationsseminare: Urlaub beim Winzer

Solveig Erlat

11.06.2010

Wein ist eine Wissenschaft für sich. Um sein volles Aroma zu entfalten, braucht er viel Zeit, Sorgfalt, Ruhe - und Geschmackssinn. Wer den wahren Wert des Weines erkennen will, sollte daher ein Degustationsseminar besuchen – am besten dort, wo der Wein seinen Ursprung hat: beim Winzer.

In der Mythologie steht er für die Fruchtbarkeit, die Ekstase und das Rauschhafte. 186 v. Chr. fanden unzählige Menschen den Tod, weil dem römischen Senat die Orgien und sexuellen Ausschweifungen um Bacchus, den Gott des Weines, zu exzessiv wurden. Die Riten wurden daraufhin als sittengefährdend verboten.

Heute gelten Weinkenner dagegen als besonders kultiviert. Kein Wunder, steht der erlesene Tropfen doch für vieles, das in unserer schnelllebigen Zeit zu kurz kommt. Vom Anbau über die Lese bis zur Lagerung verlangt ein guter Wein vor allem Zeit zur Reife. Doch nur wahren Weinliebhabern eröffnen sich die Geschichten, die ein guter Rebsaft zu erzählen weiß.

Von der Anzahl der Sonnentage bis zur Luftfeuchtigkeit während des Abfüllens: Es gibt viele Faktoren, die den Geschmack eines Weines beeinflussen. Um sie wahrzunehmen, bedarf es Übung. Unsere moderne Ernährung mit Fast Food, Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen hat seinen Tribut gefordert. Das Schmecken ist der wohl am meisten vernachlässigte unserer sechs Sinne. Wissenschaftliche Tests ergaben, dass Jugendliche heute zwanzigmal intensivere Reize als noch vor zehn Jahren benötigen, um überhaupt ein Aroma wahrzunehmen.

Vernachlässigte Sinne trainieren

Degustationsseminare zielen daher in erster Linie darauf ab, unseren Geschmackssinn wieder zum Leben zu erwecken. Ob süß, sauer, salzig oder bitter - nur wer weiß, an welchen Stellen der Zunge die vier Grundgeschmäcker wahrgenommen werden, kann zur Unterscheidung der Traubensorten übergehen. Die Krönung zur Weinkennerschaft erfolgt schließlich durch das Wissen um die Kriterien zur Analyse der Weine, die Qualität und das richtige Lesen der Etiketten. Ob beim Geschäftsessen oder romantischen Dinner, wer sich auf sein eigenes Urteil verlassen kann, strahlt Sachkenntnis und Kompetenz aus – nicht nur beim Thema Wein.

Echte Weinliebhaberei äußert sich allerdings in mehr als bloßer Analysefähigkeit und Kenntnis des Fachjargons. Wer nicht wenigstens einmal bei der Herstellung des Rebsaftes geholfen hat, wird niemals die ganze Wahrheit über Wein erfahren. Die vielfältigen Herstellungsprozesse, die jahrelange Pflege und das ungewisse Warten gehören ebenso zu seinem Mythos. Viele Winzer bieten Interessierten daher Urlaub auf ihren Gütern an. In kleinen Gruppen kann man je nach Jahreszeit beim Anbau, der Lese oder dem Abfüllen helfen. Verköstigungen der aktuellen Lese des Weingutes und Degustationsseminare sind selbstverständlich inklusive.

Viel wertvoller als der Erwerb von Fachkenntnis mag jedoch die Erfahrung sein, dass Qualität Zeit braucht – und selbst bei noch so viel Sorgfalt nicht immer zum gewünschten Ergebnis führt. Ein Urlaub beim Winzer gibt dem Sprichwort "in vino veritas" eine ganz neue Bedeutung.

Zitiervorschlag

Solveig Erlat, Degustationsseminare: Urlaub beim Winzer . In: Legal Tribune Online, 11.06.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/697/ (abgerufen am: 20.05.2024 )

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