Wein und Recht: Böses Blut wegen edler Tropfen

von Uwe Wolf

03.09.2010

Spätsommer und Herbst ist die Zeit der Weinlese. Leider sorgt der Genuss des Rebensafts nicht immer für erbauliche Stimmung. Manch süffige Spätlese führt unvermittelt vor den Richtertisch. Erstaunliche Urteile – gefunden von Dr. Uwe Wolf.

Ein Ehepaar machte Urlaub im schönen Garmisch-Partenkirchen. Der Tag war hervorragend verlaufen und sollte mit einer Flasche edlen Wein gekrönt werden. Zu diesem Zweck begaben sich die Urlauber in eins der besten Restaurants am Ort.

Die Ernüchterung erfolgte prompt. Entgegen aller Weinetikette wurde der bestellte "Erbacher Markobrunn Riesling Spätlese" nicht in einem Weinkühler, sondern in einem randvoll mit Eisstückchen gefüllten Sektkübel serviert. Die richtige Temperatur hatte der Riesling dennoch nicht. Statt der erwarteten 8 bis 12, empfanden die Weinkenner gefühlte 15 bis 20 Grad.

Die Krone setzte dem Ganzen der Oberkellner auf. Als die Gäste die Temperatur monierten, wurde die Servicekraft pampig: "Glauben Sie, dass unser Wein im Eisschrank liegt?", so sein knapper Kommentar.

Warmer Weißwein im Edelrestaurant

Die Urlauber verließen die Gaststätte, ohne die Rechnung zu bezahlen. Das nahm der Wirt krumm. Der Disput um die Spätlese beschäftigte das örtliche Amtsgericht. Recht bekamen die Gäste.

Mit juristischer Akkuratesse stellte der Richter fest: Kern des Falls ist nicht der Kauf der Flasche, sondern ein Servicemangel, mithin das Recht des Dienstvertrages. Einen wichtigen Grund zur Kündigung desselben erkannte der Richter in dem Aufeinanderfolgen von drei groben Bedienungs-Schnitzern.

Wein, so der Amtsrichter, werde in Feinschmeckerlokalen nicht in mit Eis beladenen Sektkühlern gereicht - so der erste Fauxpas; ein "Weißwein deutscher Herkunft" sei zudem mit 15 Grad und mehr eindeutig zu warm; schließlich dürfe in einem Toprestaurant eine "erstklassige Bedienung" mit "höflichem Benehmen" erwartet werden.

Nach Treu und Glaube ende mit der Kündigung des Dienstvertrages auch der Kauf der Spätlese. Konsequenz: Die genervten Gäste durften ohne zu bezahlen von dannen schreiten (Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, Az. 3 C 127/68).

Fliegender Rotwein auf weißem Damast

Nicht nur warmer Weißwein, auch feuriger Roter kann zu juristischen Scharmützeln führen. Diese Erfahrung machte eine Dame aus Augsburg. In angeregter Runde in einem Speiselokal hatte die Schwäbin zu der auf dem Tisch stehenden Rotweinflasche gegriffen. Der Versuch, sich nachzuschenken, scheiterte: Die Bouteille glitt aus der Hand und der rubin-rote Inhalt ergoss sich in hohem Bogen auf der Damasttischdecke und der cremefarbenen Sitzgruppe.

Der Inhaber des Lokals machte ein saftige Rechnung auf: Da es sich bei dem beschmutzten Stoff um ein Unikat handele, müsse er jetzt die gesamte Sitzecke neu bespannen lassen. Kosten: Schlappe 3000 Euro.

Das tiefrote Malheur ging vor Gericht. Die beklagte Weinfreundin musste nicht zahlen. Schäden im Zusammenhang mit "üblichen Verrichtungen beim Essen und Trinken", so die Richter am Landgericht Augsburg, seien von einem stillschweigenden Haftungsausschluss umfasst. Lediglich grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Handlungen gingen zu Lasten der Restaurantgäste.

Nach Ansicht der Richter dürften sich auch in guten Lokalen Gäste selber – ohne Hilfe von Fachpersonal – nachschenken. Dass dabei eine Flasche aus der Hand gleite, könne jedem passieren. Grob fahrlässig sei es auf jeden Fall nicht (Landgericht Augsburg, Az. 23 C 149/03).

Kollision zwischen Reben

Zur goldenen Herbstzeit zog es zwei Autofahrer aus Rheinland-Pfalz in die Weinberge rund um den Mittelrhein. Auf einer unübersichtlichen Wegkreuzung inmitten der Rebenhänge passierte es: Der von links kommende Fahrer war so von den prallen Trauben abgelenkt, dass er die Rechts-vor-links-Regel vergaß. Die Folge waren eingebeulte Kotflügel und ein Haftungsprozess vor dem Oberlandesgericht.

Die Richter sprachen dem von rechts kommenden Fahrer nur einen Ersatz von zwei Dritteln seines Schadens zu. Ein Drittel musste er selbst berappen.

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit den Besonderheiten des Straßenverkehrs in Weinbergen. Obwohl grundsätzlich auch dort die Rechts-vor-links-Regel gelte, dürften sich  Fahrer in der konkreten Umgebung nicht blind auf ihre Vorfahrt verlassen.

Aufgrund der relativ niedrigen Verkehrsdichte und der oft unübersichtlichen topographischen Bedingungen müssten auch vorfahrtsberechtigte Weinbergsbesucher dort extrem vorsichtig und defensiv fahren (Oberlandesgericht Koblenz, Az.12 U 25/05).

Der Verfasser Dr. Uwe Wolf ist Jurist und freier Autor in Düsseldorf

Zitiervorschlag

Uwe Wolf, Wein und Recht: Böses Blut wegen edler Tropfen . In: Legal Tribune Online, 03.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1358/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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